Samstag, 25. September 2010

Was schert mich mein Porno von vorgestern: Bald Rückruf-Aktionen auch von Politikern?

Das Landgericht Berlin hat's verboten: Das ausschnittweise "Zitieren" pornografischer Schnipsel einer mittlerweile "seriösen" und preisgekrönten Schauspielerin im TV durch den Privat-Sender RTL.
Obwohl die Einwilligung zur Veröffentlichung des ursprünglichen Filmmaterials gem. § 22 KunstUrhG ohne Zweifel  bereits vor etlichen Jahren durch die damals "freischaffendere" Künstlerin erteilt worden sein muss, scheint die Berliner Pressekammer für das Recht am eigenen bewegten (Nackt-)Bild eine Art "Rückrufrecht wegen gewandelter Überzeugung" i. S. d. § 42 UrhG einführen zu wollen. Nicht uninteressant und nicht auszudenken, was für Möglichkeiten sich da auftun, mittlerweile unliebsame bewegte Bilder und Originaltöne der vergangenen Jahre ausmerzen und vergessen machen zu können:

Eine Scheibenwaschanlage für das Promi-Schaufenster? Ein Persil-Schein für die politische Kochwäsche früherer öffentlich festgehaltener Fehleinschätzungen? Eine weiße Weste über den in der Vergangenheit vielleicht manchmal zu fett gefressenen High-Society-Bauch?

Ein Ende der ewigen Vorhaltung alter Sünden und kein Ende für Gefälligkeits-Journalismus und Hofberichterstattung?

Das Recht am eigenen Bild und die Respektierung des Persönlichkeitsrechts haben ihre Berechtigung - ebenso wie das Recht zur Einwilligung in die Veröffentlichung eigener Bildnisse und eben auch die (nicht schrankenlose) Freiheit der Berichterstattung, das öffentliche Informationsinteresse und das journalistische Veröffentlichungsinteresse, auch und gerade auch dann, wenn letztere durch frühere Schritte, die zwischenzeitlich selbst als "Fehltritte" bewertet werden, geweckt worden sein sollten.

Also besser einen Nachruf auf den möglichen Rückruf. Oder wollen wir publizistische Waschanlagen, Persilscheine und weiße Westen?

Samstag, 4. September 2010

Die strafbewehrte Unterlassungserklärung nach der Abmahnung - Wichtige Fragen und Details

Wenn vom Rechtsanwalt eine Abmahnung in's Haus flattert - egal ob im Bereich Urheberrecht, Markenrecht, Medienrecht oder Wettbewerbsrecht - stellt sich innerhalb der regelmäßig sehr knapp bemessenen Frist zumeist die Frage, ob die angeforderte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit dem vorformulierten Inhalt , in modifizierter Form oder überhaupt nicht abgegeben werden soll.

Wer dabei auf die "gut gemeinten" Ratschläge aus dem Abmahnungsschreiben hört, ist zumeist genau so "verraten und verkauft", wie derjenige, der pauschale Formulierungs-Tipps genereller Art aus dem Netz ohne Abstimmung mit dem konkret betroffenen Sachverhalt und seinen ureigensten Bedürfnissen, Wünschen und Interessen unüberlegt übernimmt.

Es sind im Einzelfall vielmehr zumindest die folgenden Überlegungen anzustellen:
  1. Gibt es erkennbare Prozessrisiken für den Fall, das von der Abgabe einer Unterlasungserklärung abgesehen wird?
  2. Ist die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bereits verantwortbar oder empfehlen sich vorher noch vorsorgliche Veranlassungen und Absicherungen?
  3. Ist ausreichend gewährleistet, dass die grundsätzlich 30 Jahre geltende verbindliche Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auch über diese Dauer einhaltbar ist? 
  4. Besteht hierbei evtl. auch das Risiko einer früher oder später möglichen Haftung für Dritte?
  5. In welcher Form soll die Erklärung abgegeben werden?
  6. Empfiehlt sich der Ausschluss von weitergehenden ausdrücklichen oder schlüssigen Anerkenntnissen z. B. hinsichtlich Schadensersatz oder Kostenerstattung?
  7. Ist die Erklärung dennoch nach den Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung mit ausreichender Ernsthaftigkeit und Rechtsverbindlichkeit formuliert?
  8. Wie sieht es mit einem enthaltenen Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs aus?
  9. Erweckt die Abfassung der Erklärung den Eindruck, auch für unverschuldete Verstöße zu haften?
  10. Welches Verbot oder welche Verbote sind im konkreten Fall relevant?
  11. Ist im konkreten Fall und vor dem Hintergrund der Verhältnisse und Erwartungen des oder der Abgemahnten eher eine möglichst eng am vorgeworfenen Verstoßsachverhalt orientierte oder eher eine weite Fassung des Verbotes zu empfehlen?
  12. Zu wessen Gunsten sollte die strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgesprochen werden?
  13. Soll eine konkret bezifferte Vertragsstrafe eingesetzt werden, wenn ja, in welcher konkreten Höhe?
  14. Oder sollte stattdessen lieber auf den sogenannten neuen Hamburger Brauch zurückgegriffen werden und die Höhe der Vertragsstrafe nicht fixiert, sondern in das gerichtlich (nicht nur landgerichtlich!) überprüfbare Ermessen des Unterlassungsgläubigers gestellt werden?
  15. Kann dennoch eine Obergrenze festgelegt werden und wenn ja, welche?
  16. Kann bzw. soll die Erklärung befristet und/oder bedingt abgegeben werden; welche etwaigen auflösenden Bedingungen empfehlen sich?
  17. Ist es sinnvoll, über vorsorgliche weitere Unterlassungserklärungen gegenüber Dritten nachzudenken?
  18. Welche weiteren Veranlassungen und Absicherungen sind nach der Erklärungsabgabe in's Auge zu fassen oder vorzunehmen?
  19. Sind weitere Personen zu informieren und zu instruieren?
  20. Sollten der schriftlichen strafbewehrten Unterlassungserklärung sinnvolle und hilfreiche weitere Erläuterungen und Argumente beigefügt werden?

Die Menge der relevanten Gesichtspunkte und Fragestellungen darf keinesfalls den Psycho-Stress erhöhen, den eine Abmahnung erzeugen kann; eine ruhige und besonnene Befassung mit den Details wird m. E. allerdings dabei helfen, klarer zu sehen und strukturierter und zielführender das Gesetz des Handelns nicht der Abmahnungs-Branche zu überlassen, sondern selbst zur Abwehr unangemessener Abmahnungen in die Hand zu nehmen.