Freitag, 17. Dezember 2010

Rechte-Verwertung und Kultur der Abmahnung: Preußische Schlösser bleiben der Medienfreiheit verschlossen.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes, der auch für "Grundstücksrecht" zuständig ist, hält Gebühren für gewerbliche Außenaufnahmen (Foto- und Film-Aufnahmen) von im Eigentum und in Parks der Stiftung "Preußische Schlösser und Gärten" befindlichen historischen Bauten nicht für ungebührlich. Ein Hoch auf die Rechte von kreativen Rechte-Verwertern und eine Klatsche u. a. für Kunst-, Wissenschafts- und Presse-Fotografen.

Mit Urteil vom 17.12.2010 Az. V ZR 44/10 hat laut aktueller Pressemitteilung des BGH der V. Senat die stringente Auffassung vertreten, jeder Grundstückseigentümer, auch der Staat,  könne das Fotografieren und Filmen untersagen, wenn dies von seinem Grundstück aus erfolgt. Dies sei eine Folge des Eigentumsrechts. Jeder Eigentümer könne bestimmen, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen jemand sein Grundstück betritt und ihm stehe das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien zu, die von seinem Grundstück aus aufgenommen worden sind. Diese gelte auch für öffentlich-rechtliche Stiftungen.

Eine im Ergebnis unbefriedigende Entscheidung, die bedauerlicherweise nicht den Mut findet, die gesetzlichen Voraussetzungen der Panoramafreiheit gem. § 59 UrhG vertiefter zu hinterfragen:  Soweit der Gesetzgeber von "öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen" spricht, bleibt durchaus Raum für eine den Verpflichtungen gerade auch staatlichen Eigentums sowie auch den kulturellen, kommunikativen und wissenschaftlichen Grundrechten gerechter werdende Auslegung; dies gilt selbst dann, wenn man mit der Vorinstanz (OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2010, Az. 5 U 12/09) grundsätzlich eine "Widmung für den Gemeingebrauch" verlangen will für die Qualifizierung beispielsweise eines Parks als "öffentlich". Dieser Grundsatz kann - und muss m. E. - nämlich eine Ausnahme finden dann, wenn Gesichtspunkte der Sozialbindung des Eigentums und/oder Grundrechte mit kultureller, wissenschaftlicher und/oder demokratisch-kommunikativer Prägung wesentlich berührt werden - mit Wechselwirkungen aus dem staatlich-öffentlichen und auf das staatlich-öffentliche Eigentum. Das Brandenburgische OLG hat die insoweit in unserer Medien-Gesellschaft erforderlicher werdende Sensibilität für verfassungskonforme Abwägungen auch mit seinem Urteil vom 09.11.2010, Az. 6 U 14/10, erkannt, von mir aufgegriffen in einem früheren Beitrag.

Der "Grundstücksrecht"-Senat des BGH hat, soweit er zwei der drei zweitinstanzlichen Entscheidungen an den 5. Zivilsenat des Brandenburgischen OLG zurückverwiesen hat, diesem allerdings kaum Spielraum gelassen, erneut den Schrankenbestimmungen des Urheberrechts verfassungsrechtliches Leben einzuhauchen.

Es bleibt als weiter viel Raum für kreative Rechte-Verwerter und für (legale) Vermögensmehrung durch Abmahnungen und Lizenz-Analogien.

Freitag, 3. Dezember 2010

Ich knips Dir ein Schloss. Die Abmahnung und die Lizenzgebühr warten im Park.

BGH-Urteil zur Panorama-Freiheit in Parks öffentlicher Stiftungen wird am 17.12.2010 mit Spannung erwartet. 
 
Sind Fotos - insbesondere Außenaufnahmen - von "öffentlichen" Kulturgütern künftig lizenzpflichtig? 

Nach Abmahnungen durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten erhob diese vor dem Landgericht Potsdam auf Unterlassung und Schadensersatz gerichtete Klagen gegen zwei Bildagenturen und eine Internet-Plattform. Die Klägerin beruft sich auf ihre Eigentumsrechte und daraus erwachsende Bildrechte.

Erstinstanzlich wurde den Klagen Ende 2008 stattgegeben. Das Brandenburgische OLG hob die Urteile allerdings im Februar 2010 auf und verneinte das Erfordernis einer Zustimmung des Eigentümers von Parks und historischen Gebäuden zu davon gefertigten kommerziell genutzten Fotos.

Das Oberlandesgericht hatte u.a. auf die Zweckbindung einer öffentlichen Stiftung abgestellt, die ihr Eigentum bzw. die Kulturgüter zu pflegen, zu bewahren und öffentlich zugänglich zu machen habe. Dies wurde von den Anwälten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgegriffen.

Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob und wie sich der Bundesgerichtshof insbesondere auch zu Fragen der Panorama-Freiheit sowie allgemeiner zu Ausprägungen der Pressefreiheit und der Informationsfreiheit verhält. Kritische Worte zu ausschweifenden "Verwertungs-Tendenzen" und deutliche Hinweise zur Bedeutung der kommunikativen und kulturellen Grundrechte gerade auch im Kontext von Urheberrecht und Bildrecht täten der aktuellen Diskussion m. E. gut.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Urheberrecht und Informationsfreiheit: BGH lässt weiter nach Perlen tauchen.

Die Gedanken sind frei.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 01.12.2010 eine Art Zwischenentscheidung zu der Frage getroffen, ob eine kommerzielle Verwertung von sogenannten "Abstracts" urheberrechtlich , markenrechtlich und wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Hinsichtlich des Streitstoffs darf ich auf meine kurzen Beiträge vom 31.05.2010 und 15.07.2010 verweisen.

Das Online-Kulturmagazin "perlentaucher.de" veröffentlicht im Internet verkürzte Zusammenfassungen (sogenannte "Abstracts") von Buch-Rezensionen aus verschiedenen renommierten Zeitungen - u.a. aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutsche Zeitung". Die "Abstracts" zitieren dabei besonders aussagekräftige Passagen aus den Buch-Rezensionen - wobei dies zumeist durch Anführungszeichen kenntlich gemacht wird. Anderen Internet-Portalen verkauft "perlentaucher.de" Lizenzen zum Abdruck der erstellten Zusammenfassungen.
 
Die Zeitungsverlage der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und der "Süddeutsche Zeitung" sehen in der kostenpflichtigen Lizenzierung der "Abstracts" zugunsten Dritter eine Verletzung des Urheberrechts an den Buch-Rezensionen, darüber hinaus auch eine Verletzung von Markenrechten sowie einen Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Regeln. Nach entsprechenden Abmahnungen wurden Klagen gegen "perlentaucher.de" erhoben; diese sind auf Unterlassung, Auskunftserteilung und auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichtet. 

Das Landgericht Frankfurt a. M. und das OLG Frankfurt a. M. haben die Klagen abgewiesen. Der I. Zivilsenat des BGH hat die OLG-Urteile aufgehoben und die Sachen an das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. zurückverwiesen. 

Auch nach Auffassung des BGH ist die urheberrechtliche Zulässigkeit einer Verwertung eines "Abstracts" wesentlich davon abhängig, ob es sich dabei um ein selbständiges Werk handelt, das lediglich in freier Benutzung der Buch-Rezension geschaffen worden ist und das auf diese Weise ohne Zustimmung des Urhebers verwertet werden darf gem. § 24 Abs. 1 UrhG . Der BGH meint allerdings, das Oberlandesgericht habe bei der diesbezüglichen Prüfung der "Abstracts" nicht alle gebotenen rechtlichen Maßstäbe angelegt und auch nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt. 

Jetzt muss das OLG Frankfurt a. M. erneut prüfen, ob es sich bei den gerügten "Abstracts" um selbständige Werke i. S. d. § 24 Abs. 1 UrhG handelt. 

Dabei wird es jeweils auf eine genaue Würdigung des Einzelfalls ankommen. Bei der Beurteilung ist nach der Vorgabe der BGH-Richter zu beachten, dass grundsätzlich nur die sprachliche Gestaltung einer Rezension Urheberrechtsschutz genießt - nicht der gedankliche Inhalt. Die Gedanken sind frei. Es ist urheberrechtlich zulässig, den Inhalt eines Schriftwerks mit eigenen Worten zusammenzufassen und diese Zusammenfassung dann auch geschäftlich zu verwerten. Entscheidend wird sein, in welchem Umfang "perlentaucher.de"  in den einzelnen "Abstracts" besonders originelle Formulierungen der in der Presse veröffentlichten Buch-Rezensionen jeweils wörtlich übernommen hat und ob dies vom Zitierrecht gedeckt bzw. hierdurch gerechtfertigt ist.
Die genauen Entscheidungsgründe des I. Zivilsenats bleiben im Übrigen abzuwarten. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob der BGH sich gfls. zur Frage einer verfassungsrechtlichen Güter- und Interessenabwägung im Rahmen der gesetzlichen Schranken des Urberrechts näher äußert.

Ein kleiner Schritt auf dem Weg zur gebotenen Stärkung der Informationsfreiheit scheint mit der verkündeten Zwischenentscheidung getan zu sein. Die Gedanken sind frei.