Freitag, 25. November 2011

Du sollst die Abmahnung nicht mit dem Bade auskippen - Eine zeternde Streisand-Glosse zu ruhmreicher Ehr und Mär

Es war einmal ein berühmter Advokat und ehrenhafter Abgeordneter in grünem Wams. Der badete mit seiner geliebten Gattin in einem  kleinen See, der durch den Bau einer großen Fernstraße vierzig Jahre zuvor erschaffen worden war.

Man schwamm an einer idyllischen, den Fischern vorbehaltenen Stelle, an der es den Sterblichen verboten war, sich zu tummeln und zu plantschen. Da berührte eine der von einem Fischer-Knaben mit einer kleinen Schleuder ins Wasser beförderten Futterkugeln den Kopf der Abgeordneten-Gemahlin. Erzürnt entriss der berühmte Advokat das Corpus Delicti dem kleinen Fischerjungen, der - zusammen mit zwei älteren Fischern - vergeblich um Nachsicht und Vergebung gebeten haben soll.

Das aus dem Schwarz-Bad entstiegene Paar begab sich tags darauf zum Wachtmeister, wo der Fischerjunge der bösen Tat bezichtigt und beschuldigt wurde. Es begab sich aber, dass ein in diesem Gestrich sich herumtreibender Geschichten-Erzähler nun die Mär verkündete, der ehrenhafte Berühmte habe die Bezichtigung und Beschuldigung beim Wachtmeister angebracht, wie dies auch die Wachtmeisterei selbst dem Geschichten-Erzähler kundgetan hatte.

Diese Mär missfiel dem berühmten Ehrenhaften sehr und er ließ durch einen weiteren Advokaten nun dem Geschichten-Erzähler eine Postille zukommen. Darin wurde der Geschichten-Erzähler auf das Ärgste abgewatscht und abgemahnt und zum Schwur verpflichtet, bei Meidung arger Strafzahlungen nie mehr zu verbreiten, der ehrenrührig Behaftete habe beim Wachtmeister selbige Bezichtigung und Beschuldigung vorgebracht. Zudem wurde vom Geschichten-Erzähler ein Obulus von über siebenhundertfünfundsiebzig Talern für die Advokaten-Schriftrolle begehrt.

Daraufhin verbreitete der Geschichten-Erzähler die Kunde von den Folgen vom "Schwarz-Bad" mit der "bad cease-and-desist order", wie die Anglizisten die Abmahnung zu benennen pflegen, und er bat um eine kleine Kollekte für seinen Sparstrumpf, um sich gegen den ehrlichen Ruhmreichen ein Rüstzeug verschaffen zu vermögen.

Und der Pöbel mit den (Fischer-)Netzen keifte und zeterte und verstreute den Badesand vom Badestrand:

  • Wie hoch ist die Pönale für das liebliche Schwarz-Bad?
  • Hatte der Fischerjunge einen Waffenschein? Und wer hatte ihm zuvor derart treffliches Zielwasser eingeflößt?
  • Wie kam der Geschichten-Erzähler zu der schändlichen und schmachvollen Behauptung, der ehrreiche Haftforderer habe beim Wachtmeister Haft gefordert? Wie schwer wiegt diese tapfere Schilderung? 
  • War der tapfere Ruhmbehaftete etwa gar nicht beim Wachtmeister? Oder warum will er dort keine Beschwer vorgebracht haben? Was erregt ihn gar derartig unartig?
  • Und was passiert mit den schönen siebenhunderfünfundsiebzig Talern und was mit der Kollekte?

Bei einem  Gläschen gut gekühlten heimatlichen Bioweins werden sich diese und weitere Fragen geschwind klären oder in dem gar hundert Fuß tiefen Tümpel versenken lassen.

Samstag, 19. November 2011

Aktuelle Falsch-Veröffentlichung der Hamburger Verbraucherschutz-Behörde zu Filesharing, Abmahnung und Urheberrecht in Tauschbörsen

Auf eine skandalös fehlerhaft erstellte Broschüre der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg weisen die Rechtsanwälte Mielke Koy Butenberg aktuell zu Recht hin.

Die für Schülerinnen und Schüler gedachten Informationen der "Fachabteilung Wirtschaftlicher Verbraucherschutz" mit dem Titel "UPLOAD DOWNLOAD Rechte im Internet" enthalten bedauerliche Ahnungslosigkeiten und Irreführungen zum Thema Tauschbörsen, P2P-Netzwerke, Urheberrecht und Abmahnungen.

So werden z. B. Datenfreigabe und Filesharing undifferenziert vermengt und im Ansatz dann mit Streaming verwechselt. Es wird behauptet, beim Filesharing würden keine Kopien erstellt, und der Begriff der TAUSCHbörse wird laienhaft falsch erläutert. Die unterschiedliche Relevanz von Download und Upload wird teilweise verkannt und "Tausch"-Vorgänge werden missverständlich verharmlost. Den Lesern des Informationsheftchens erweist man so einen Bärendienst.

Oder hat die Freie und Hansestadt Hamburg  bereits - ungeachtet ihrer insoweit unzureichenden Gesetzgebungskompetenz (und Rechtskompetenz?) - liberalere urheberrechtliche Bestimmungen für ihr Hoheitsgebiet oder gar das World Wide Web erlassen?
Hilfe! "Gut gemeint" ist eben nicht unbedingt "gut gemacht".

Dienstag, 1. November 2011

Was dürfen Perlentaucher vermarkten? OLG nimmt starke Formulierungen gefangen.

Das OLG Frankfurt a. M. urteilte am 01.11.2011 nach Vorgaben des BGH neu über den Fall "perlentaucher.de" und die urheberrechtlichen Grenzen bei der Zusammenfassung von Buchrezensionen ( sog. "Abstracts").  Die Gedanken sind frei - die Formulierungen nicht immer.

OLG Frankfurt a. M., Urteile v. 01.11.2011, Az. 11 U 75/06 und 11 U 76/06
(LG Frankfurt a. M., Urteile v. 23.11.2006, Az.
2-3 O 171/06 und 2-3 O 172/06;  

OLG Frankfurt a. M., Urteile v. 11.12.2007; 
BGH, Urteile v. 01.12.2010, Az. I ZR 12/08 u. I ZR 13/08)

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte Ende des vergangenen Jahres eine Art Zwischenentscheidung zu der Frage getroffen, ob eine kommerzielle Verwertung von sogenannten "Abstracts" urheberrechtlich, markenrechtlich und wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Das Online-Kulturmagazin "perlentaucher.de" veröffentlicht im Internet verkürzte Zusammenfassungen (sogenannte "Abstracts") von Buch-Rezensionen aus verschiedenen renommierten Zeitungen - u.a. aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutsche Zeitung". Die "Abstracts" zitieren dabei besonders aussagekräftige Passagen aus den Buch-Rezensionen - wobei dies zumeist durch Anführungszeichen kenntlich gemacht wird. Anderen Internet-Portalen verkauft "perlentaucher.de" Lizenzen zum Abdruck der erstellten Zusammenfassungen.
 

Die Zeitungsverlage der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und der "Süddeutsche Zeitung" sehen in der kostenpflichtigen Lizenzierung der "Abstracts" zugunsten Dritter eine Verletzung des Urheberrechts an den Buch-Besprechungen, darüber hinaus auch eine Verletzung von Markenrechten sowie einen Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Regeln. Nach entsprechenden Abmahnungen erhoben die Verlage vor über 5 Jahren Klagen gegen "perlentaucher.de", gerichtet auf auf Unterlassung, Auskunftserteilung und auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht. 

Das Landgericht Frankfurt a. M. und das OLG Frankfurt a. M. hatten die Klagen abgewiesen. Der I. Zivilsenat des BGH hatte die OLG-Urteile z. T. aufgehoben und die Sachen an das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. zurückverwiesen. 

Nach Auffassung des BGH ist die urheberrechtliche Zulässigkeit einer Verwertung eines "Abstracts" wesentlich davon abhängig, ob es sich dabei um ein selbständiges Werk handelt, das lediglich in freier Benutzung der Buch-Rezension geschaffen worden ist und das auf diese Weise ohne Zustimmung des Urhebers verwertet werden darf gem. § 24 Abs. 1 UrhG. Der BGH meinte, das Oberlandesgericht habe bei der diesbezüglichen Prüfung der "Abstracts" nicht alle gebotenen rechtlichen Maßstäbe angelegt und auch nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt. 

Jetzt musste das OLG Frankfurt a. M. erneut prüfen, ob es sich bei den gerügten "Abstracts" um selbständige Werke i. S. d. § 24 Abs. 1 UrhG handelt. 

Dabei kam es jeweils auf eine genaue Würdigung des Einzelfalls an. Bei der Beurteilung war nach der Vorgabe der BGH-Richter zu beachten, dass grundsätzlich nur die sprachliche Gestaltung einer Rezension Urheberrechtsschutz genießt - nicht der gedankliche Inhalt. 
Die Gedanken sind frei. Es ist wettbewerbsrechtlich, markenrechtlich und auch urheberrechtlich zulässig, den Inhalt eines Schriftwerks mit eigenen Worten zusammenzufassen und diese Zusammenfassung dann auch geschäftlich zu verwerten. Entscheidend ist, in welchem Umfang "perlentaucher.de"  in den einzelnen "Abstracts" besonders originelle Formulierungen der in der Presse veröffentlichten Buch-Rezensionen außerhalb zulässiger freier Bearbeitung jeweils wörtlich übernommen hat und ob dies vom Zitierrecht gedeckt bzw. hierdurch gerechtfertigt war.
Das OLG hat nun entschieden, dass neun von zehn Perlentaucher-Abstracts zu FAZ-Rezensionen und vier von zehn Abstracts zu SZ-Kritiken Urheberrechte verletzen wegen der Übernahme besonders ausdrucksstarker und prägender Passagen aus den Orginal-Artikeln. Zudem muss das Online-Magazin den Klägerinnen Auskunft erteilen über die Einnahmen, die es mit diesen 13 Abstracts erzielt hat, damit danach ein zu leistender Schadensersatz bemessen werden kann.


Die Perlentaucher schließen aus dem OLG-Urteil, dass man beim Zitieren von Formulierungen wie "weltanschauliches Anliegen" oder "langatmige Ausbreitung von Altbekanntem" künftig besondere Vorsicht walten lassen muss. Die genauen schriftlichen Entscheidungsgründe der Frankfurter Richter werden abzuwarten und zu analysieren sein.

Die Gedanken sind frei - aber starke und kreative Formulierungs- und Wortschöpfungen bleiben eben doch manchmal an der Quelle "gefangen".