Freitag, 23. Dezember 2016

GUTE ABMAHNUNGEN, SCHLECHTE ABMAHNUNGEN


  

Marken- und Urheberrecht als in Serie gehendes Geschäftsmodell


Nicht alle anwaltlichen Abmahnungen sind per se unzulässige oder unanständige Massenabmahnungen. Wo massenhaft gesetzlich geschützte Rechte verletzt werden, da darf grundsätzlich auch massenhaft abgemahnt werden. Das Dilemma ist allerdings, dass in der fortlaufenden Abmahnungsflut, insbesondere in den immer wieder neuen urheberrechtlichen und markenrechtlichen Abmahnungswellen, besonders bedenkliche und kritikwürdige Gesichtspunkte und Vorgehensweisen auftauchen, die die jeweiligen Adressaten übervorteilen oder – wie es häufig heißt – „abzocken“.

Die Guten

In der anwaltlichen Praxis gibt es durchaus Abmahnungsfälle, in denen der oder die Abgemahnte in klarer und verständlicher Weise über den Abmahner selbst, die angeblich begangene Rechtsverletzung, daraus ggf. konkret herleitbare Zahlungsansprüche und den Hintergrund sowie den Inhalt einer seriösen strafbewehrten Unterlassungserklärung informiert wird – wie dies ja u. a. auch § 97a Abs. 1 UrhG vorschreibt.

In diesen Fällen sind vielleicht dennoch einige sachverhaltliche Details und rechtliche Streitpunkte zu klären; dies aber in fairer und verständigungsorientierter Weise und mit wechselseitig vertretbaren Argumenten. Und das ist gut so.

Die Bösen

Leider trifft man allerdings auch immer wieder auf Abmahnungen, in denen nicht einmal der angeblich anwaltlich vertretene Rechteinhaber selbst nachvollziehbar und nachprüfbar dargestellt wird. Da finden sich verkürzte oder verfremdete Namensangaben oder Pseudonyme, es fehlen konkrete Adressangaben und nähere Darlegungen dazu, aus welcher plausiblen sachverhaltlichen und rechtlichen Grundlage, wie, woher und mit welcher etwaigen Rechtekette die vermeintlichen Rechte (Urheberrechte, Leistungsschutzrechte, Markenrechte, exklusive Nutzungsrechte u. Ä.) denn hergeleitet werden sollen.

Nicht selten durchaus mit darauf ausgerichtetem Kalkül enthalten derartige Abmahnungsschreiben teilweise lückenhafte, widersprüchliche oder schlicht falsche tatsächliche und technische Darstellungen – etwa zu vermeintlichen Sachverhalten, Recherche-, Protokollierungs- oder Archivierungsvorgängen.

Die lieben Technik

Zu erwähnen sind exemplarisch ferner die – bis zur entsprechenden Korrektur durch die Rechtsprechung – aufgetretenen Fälle, in denen im Rahmen von Filesharing-Abmahnungen den Internetanschlussinhabern zu Unrecht vorgeworfen wurde, das vom Internetservicepro-vider vorgegebene Router- bzw. WLAN-Passwort unverändert verwendet zu haben.

Dass in Zeiten zunehmend komplexer und komplizierter werdender Medienangebote und Medientechnik sowie massenhaft auftretender, durch Root-Kits verschleierter Trojaner und „Staatstrojaner“ viele Verbraucher überfordert sind mit einer nachvollziehbaren Bewertung auf sie zukommender Abmahnungsfälle, macht man sich im Rahmen des Geschäftsmodells „Abmahnungen“ gerne zunutze. Die lieben eben Technik – auch im Zusammenhang mit oft nicht nachvollziehbaren Behauptungen zu angeblichen Crawling-Recherchen.

Datenmissbrauch mit gerichtlichem Siegel

Neben fragwürdigen Ermittlungsmethoden kommt es gelegentlich zur Herausgabe von persönlichen Daten im Rahmen von gerichtlichen Auskunfts- bzw. Gestattungsverfahren, die an Netzbetreiber gerichtet wurden, die mit dem betroffenen Verbraucher aufgrund von Reseller-Konstellationen gar nicht vertraglich verbunden sind. Das daraus resultierende Beweisverwertungsverbot wird dann schlicht übergangen.

Eigentore

Im Zusammenhang mit den sog. Filesharing-Abmahnungen machen sich manche Abmahner sogar selbst urheberrechtlich verletzbar, indem u. a. Audioaufnahmen aus sog. Samplern oder Chart-Containern zum Gegenstand angeblich recherchierter Rechtsverletzungen gemacht werden, obwohl dann, wenn entsprechende Urheberrechtsverstöße tatsächlich durch ein Recherche-Unternehmen im Wege angeblich durch das Crawling-Unternehmen durchgeführter vollständiger Downloads protokolliert und archiviert wurden, zwangsläufig auch Rechtsverletzungen durch das Recherche-Unternehmen selbst begangen worden sein müssen, und zwar hinsichtlich der übrigen, nicht von dem jeweiligen Rechteinhaber innegehaltenen Werke auf dem jeweiligen Musikalbum.

Drama

Geradezu unerträglich sind in zahlreicher Abmahnungspost enthaltene, völlig übertriebene und dramatisierende Ausführungen zum angeblichen Ausmaß von Auskunfts-, Darlegungs- und Beweispflichten des Adressaten. Dies erzeugt häufig ungerechtfertigten, quasi „postfaktischen“ Psychostress – wenn nicht sogar Panik. Dem gleichen Ziel dient wohl die weit verbreitete Praxis, derartige Abmahnungsbriefe insbesondere zum Wochenende oder im Zusammenhang mit Ferien- oder Feiertagszeiten zu versenden.

In die Kategorie „Psycho-Terror“ gehört auch das Bestreben zahlreicher Abmahner, Familienmitglieder zu quasi geheimpolizeilichen Ermittlungs- oder Verhörmethoden verpflichten zu wollen oder durch massive Inanspruchnahmen gegeneinander auszuspielen. Dabei wird dann gerne auf obergerichtliche oder sogar höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen – allerdings ohne Berücksichtigung der insbesondere in einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs angesprochenen Gesichtspunkte der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit.

Geschäftliches

Fatal ist die manchmal anzutreffende Praxis, Verbrauchern ein gewerbliches oder geschäftliches Verhalten bzw. auf dem Feld des Markenrechts z. B. eine markenmäßige Nutzung bestimmter Kennzeichen zu unterstellen, obwohl vielleicht nur ein von dem entsprechenden Verbotstatbestand gar nicht umfasster privater Geschehensablauf vorliegt. In manchen von den Abmahnern selbst allerdings sehr wohl „geschäftlich“ betriebenen Abmahnungsfällen fußen die streitgegenständlichen Vorwürfe auf kriminellen Handlungsweisen Dritter, für die eine angebliche Verantwortlichkeit des angeschriebenen Verbrauchers behauptet wird, obwohl dessen Haftung insoweit gar nicht gegeben ist. Die in den vergangenen Jahren exzessiv herangezogene „Störerhaftung“ ist ein erschreckendes Beispiel dafür.

Kassensturz

Es werden dann nicht selten überhöhte Schadensersatzforderungen und überhöhte Kostenansätze gepflegt und zudem strafbewehrte Unterlassungserklärungen verlangt, die evtl. für die Zukunft bereits das nächste „Geschäftsmodell“ eröffnen: Mit unverhältnismäßigen Vertragsstrafen, ausgeweiteten Unterlassungstatbeständen und sonstigen, für den Unterlassungsschuldner suboptimalen Vorgaben.

Serienreif

Die oben beschriebenen Abmahnungsdramen werden wohl auch als Geschäftsmodell weiter „in Serie“ gehen. Alle bisher vom Gesetzgeber eingebauten „Bremsen“ haben ja bekanntlich de facto wenig Wirkung gezeigt.
  



Dienstag, 18. Oktober 2016

Filesharing-Klage: Neue Hinweise des AG Bielefeld nach BGH-Urteil

Das Amtsgericht Bielefeld hilft aus der Einbahnstraße sekundärer Darlegungslast
Erhellende Hinweise zur Abwehr von Filesharing-Klagen hat jetzt das Amtsgericht Bielefeld mit Beschluss vom 13.10.2016 (Az. 42 C 151/16) erteilt. Dabei greift es das aktuelle Urteil des BGH vom 06.10.2016 (Az. I ZR 154/15) auf: Der abgemahnte Internet-Anschlussinhaber hat nur sehr begrenzte Recherche-, Befragungs- und Auskunftspflichten.

Hier sind die richterlichen Hinweise im Einzelnen:


Das Gericht weist darauf hin, dass nunmehr höchstrichterlich geklärt bzw. klargestellt wurde, dass der Anschlussinhaber nicht verpflichtet ist, internetfähige Geräte der weiteren Nutzer seines Internetanschlusses auf das Vorhandensein von Filesharing-Software oder der streitgegenständlichen Datei zu untersuchen oder gar die tatsächlich für die behauptete Rechtsverletzung verantwortliche Person zu ermitteln und zu benennen. Auch ist aufgrund der Besonderheiten bei Nutzung einer Filesharing-Software kein konkreter Vortrag zu den An- und Abwesenheitszeiten des Anschlussinhabers und der Mitbenutzer im genauen Zeitpunkt der Rechtsverletzung erforderlich. Dies ergibt sich aus dem – noch nicht schriftlich begründeten – Urteil des BGH vom 6.10.2016, I ZR 154/15, mit welchem die Revision gegen das Urteil des LG Braunschweig vom 1.7.2015, 9 S 433/15 zurückgewiesen wurde.

Der Anschlussinhaber ist demnach lediglich verpflichtet, diejenigen Personen, die den Internetanschluss im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung regelmäßig mitbenutzt haben, zu ermitteln und unter Angabe einer ladungsfähigen Anschrift namentlich zu benennen. Zu einem substantiierten Sachvortrag des Anschlussinhabers gehört es, die weiteren Nutzer nicht bloß namentlich zu benennen. Ein substantiierter Sachvortrag verlangt vielmehr, dass der Anschlussinhaber nähere Angaben zum generellen Nutzungsverhalten der Personen, denen die Nutzung des Internetanschlusses gestattet wurde, macht. Hierzu gehören Angaben darüber, wie die Personen Zugang zum Internetanschluss erhalten haben (LAN oder WLAN, welche Verschlüsselung, Art des Passwortes, welches internetfähige Endgerät), wie häufig diese Personen das Internet genutzt haben (täglich, gelegentlich, selten oder fast gar nicht) und wozu das Internet generell genutzt wurde (z.B. Informationsbeschaffung, Emails, Online-Shopping, Nutzung sozialer Netzwerke, Spielen, Filesharing, Streaming, Skypen). Dies stellt – soweit es dem Anschlussinhaber bei Nutzung durch Familienangehörige nicht ohnehin bekannt ist – auch vor dem Hintergrund des Art. 6 GG keine überspannten Anforderungen an die Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers dar.

Sofern ein derart substantiierter Sachvortrag des Anschlussinhabers vorliegt, ist es unter Berücksichtigung der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastverteilung im Zivilprozess Aufgabe des Rechteinhabers, zu beweisen, dass die weiteren benannten Nutzer keinen Zugriff auf den Internetanschluss des Anschlussinhabers hatten und dass der Anschlussinhaber für die behauptete Rechtsverletzung verantwortlich ist. Ob dem Rechteinhaber dieser Nachweis gelingt, ist dann eine Frage der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Einzelfall. Die pauschal vertretene Ansicht, der Anschlussinhaber hafte immer dann, wenn kein weiterer Nutzer eine Tatbegehung eingeräumt habe, vermag angesichts der vorstehenden Ausführungen in dieser Allgemeinheit nicht zu überzeugen.


Die schriftlichen Entscheidungsgründe des BGH-Urteils vom 06.10.2016 liegen noch nicht vor. Dennoch konnte das Amtsgericht Bielefeld aus den Inhalten des vom BGH im Revisionsverfahren bestätigten Urteils des Landgerichts Braunschweig vom 01.07.2015 (Az. 9 S 433/14, 9 S 433/14 (59)) und aus den bei der öffentlichen Urteilsverkündung in Karlsruhe geäußerten Anmerkungen des I. Zivilsenats mit Recht die einleuchtenden Maßstäbe möglicher angemessener Rechtsverteidigung gegen Filesharing-Klagen aufstellen. 



Freitag, 7. Oktober 2016

Neues BGH-Filesharing-Urteil hilft gegen Abmahnwut

Hilfe aus Karlsruhe bei Filesharing-Verdacht per Abmahnung
Der BGH hat am 06.10.2016 (Az. I ZR 154/15) den Opfern übermotivierter Filesharing-Abmahnungen eine große Last abgenommen und ein Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 01.07.2015 (Az. 9 S 433/14, 9 S 433/14 (59)) bestätigt. Danach wird die sogenannte „sekundäre Darlegungslast“ des Internet-Anschlussinhabers erheblich begrenzt.

Die von der Münchener Rechtsanwälten Waldorf –Frommer vertretene Filmproduzentin Constantin Film verlangte von dem seitens der Kanzlei Solmecke vertretenen Beklagten Schadensersatz für angebliches illegales Film-Filesharing sowie die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten.

Die Klägerin hatte ein Auskunfts- bzw. Gestattungsverfahren gem. § 101 Abs. 9 UrhG angestrengt zur Ermittlung des Anschlussinhabers anhand einer mit Zeitstempel protokollierten dynamischen IP-Adresse. Nach der Abmahnung gab der verheiratete Kläger lediglich eine Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin berief sich auf eine „tatsächliche Vermutung“, wonach ein Anschlussinhaber grundsätzlich als Täter für über seinen Anschluss begangene Rechtsverletzungen verantwortlich ist.

Der Beklagte hat eine eigene Urheberrechtsverletzung bestritten und - ohne weitergehende Nachforschungen hinsichtlich eines Täters - vorgetragen, auf seinem Computer sei weder eine Filesharing-Software installiert, noch der streitgegenständliche 3D-Film vorhanden. Einen derartigen Film könne er auch mit seinem Equipment überhaupt nicht abspielen. Er sei im fraglichen Zeitraum von Montag bis Freitag, häufig auch am Wochenende berufsbedingt unterwegs und könne auch deshalb die Verstöße, die sich sonntags bis dienstags ereignet haben sollen, nicht selbst begangen haben. An den entsprechenden Tagen sei er ohne Internetzugang unterwegs gewesen. Seine Ehefrau habe zu jener Zeit ständig - über einen eigenen PC - Zugang zum Internet gehabt. Dennoch ginge er nicht davon aus, dass diese etwa die vermeintlichen Rechtsverletzung begangen habe. Der benutzte Router „Speedport W504V“ sei zwar mittels WPA2 gesichert gewesen, habe aber laut Medienberichten und Produktwarnungen eine erhebliche Sicherheitslücke aufgewiesen.

Der Beklagte hat den PC seiner Ehefrau nicht untersucht.

Mit am 27.08.2014 verkündetem Urteil hat das Amtsgericht Braunschweig unter Hinweis auf die Sicherheitslücke die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat das Landgericht die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Sie gab zu, den Internetanschluss genutzt zu haben, in der streitgegenständlichen Zeit für Online-Einkäufe, Online-Spiele und auf Facebook. Die Zeugin verneinte aber eigene Filesharing-Verstöße.

Das Landgericht stufte das Bestreiten der Ehefrau als mögliche Schutzbehauptung ein, nach der eine Täterschaft der Ehefrau eben dennoch möglich sei, ohne dass dies allerdings eindeutig bewiesen sei. Dies ginge zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.

Dieses realistische und lebensnahe Urteil hat der BGH nun im Revisionsverfahren bestätigt.

Die abmahnende und klagende Rechteinhaberin muss die Rechtsverletzung und eine angebliche Täterschaft beweisen. 

Bei substantiiertem Sachvortrag des Anschlussinhabers zu Mitbenutzungsmöglichkeiten namentlich benannter Dritter geht eine Filesharing-Klage deshalb bereits ins Leere, auch ohne dass der Abgemahnte den Täter selbst - quasi polizeilich - exakter ermitteln muss. 

Ein Beklagter muss auch nicht etwa noch zu genaueren Anwesenheitszeiten seiner Familienangehörigen nähere Angaben machen, zumal eine körperliche Präsenz am Rechner zur Auslösung von Filesharing-Vorgängen ohnehin nicht erforderlich ist. 

Auch weitere Nachforschungen etwa auf dem Rechner der Ehefrau oder durch deren Vernehmung muss ein Anschlussinhaber nicht anstellen.


Damit hat der BGH eine lange erwartete und erhoffte Klarstellung getroffen, die dem Geschäftsmodell der Abmahnindustrie deutliche Grenzen aufzeigt.




Donnerstag, 8. September 2016

EuGH urteilt "verflochten" zur Verlinkung

Neues EuGH-Urteil zu Hyperlinks: Verflixt "verflochtene" Steilvorlage
für das Geschäftsmodell urheberrechtlicher Abmahnungen

Urheberrecht: Mit heutigem Urteil aus Luxemburg vom 08.09.2016 (Az. C-160/15) sorgt der EuGH für eine wachsende mediale Unsicherheit bezgl. des Postens von Links im Internet.
Verlinkungen auf illegale Quellen bzw. Inhalte können danach selbst illegal sein. Es ging um Nacktfotos aus dem Playboy.


Streitgegenstand:

Ein niederländisches Webportal hatte auf eine urheberrechtswidrige Filehoster-Webseite mit der Abbildung von Playboy-Fotos verlinkt und trotz Abmahnung fortdauernde Verlinkungen vorgenommen und auch im portaleigenen Forum durch Nutzer einsetzen lassen. Das Webportal verfolgte damit nach eigener Darstellung auch das Ziel,  die Öffentlichkeit über die illegal veröffentlichten Nacktfotos der abgebildeten TV-Moderatorin zu informieren.
Es folgte der Klageweg in den Niederlanden.


Der EuGH entschied

auf die entsprechenden Vorlagefragen der niederländischen Gerichtsbarkeit - insbesondere zur Frage der "öffentlichen Wiedergabe",
„dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist."

Der EuGH-Generalanwalt hatte sich - m. E. zu Recht - zuvor im Rahmen seines Schlussantrags anders entschieden, um „die Förderung der Entwicklung der Informationsgesellschaft in Europa“ nicht zu „gefährden".
Vor zweieinhalb Jahren hatte der EuGH zu Verlinkungen auf legale Internet-Veröffentlichungen selbst noch entschieden, dass Hyperlinks auch ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers auf urheberrechtlich geschützte Werke verweisen dürfen, da die Links im Internet sich nicht an ein von der Quelle abweichendes "neues Publikum" richten.

Mit der nun vorliegenden Entscheidung bereitet der EuGH das Bett oder das Feld für kaum rechtssicher prognostizierbare Streitigkeiten im Spannungsfeld zwischen Urheberrecht und Informations- und Meinungsfreiheit - „verflochten“ u. A. mit Fragen der wirtschaftlichen, medialen und sozialen Hintergründe sowie z. B. auch zu Motiven und Kenntnisständen der Agierenden. Rechtssicherheit in der Informationsgesellschaft sieht anders aus.

Weiterer Orginalton des EuGH:
„Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden … “

Die nächsten Abmahnungen sind höchstwahrscheinlich bereits auf dem Weg.


Dienstag, 6. September 2016

Fettes Urheberrecht: Der BGH und das Fat-Model

Verfremdete Foto-Modelle werden auch von höchsten Instanzen veröffentlicht

Der BGH hat mit seinem Parodie-Urteil vom 28.07.2016 (Az. I ZR 9/15 - „auf fett getrimmt“) nicht nur „Fettes“ zum Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Urheberrecht kundgetan, sondern sogar selbst ein Fat-Model-Foto der Schauspielerin Bettina Zimmermann veröffentlicht. Wird jetzt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe urheberrechtlich abgemahnt?


Das durch digitale Manipulationen verfremdete Bild der hübschen Schauspielerin mit Hot Pants und Bikini-Oberteil war 2009 im Rahmen eines Internet-Wettbewerbs entstanden. Dabei sollten die Teilnehmer Fotos von Prominenten mit Bildbearbeitungssoftware so bearbeiten, dass die Promis möglichst fett aussehen. Eines der Promi-Opfer war die bekanntermaßen sehr attraktive Schauspielerin Bettina Zimmermann, die nach der „Bearbeitung“ (wenn es denn eine war) mit voluminösen Schwimmringen und unförmigen Cellulite-Schenkeln auftauchte.

Die BZ aus Berlin veröffentlichte dann diese digital „verfettete“ Optik in einem den Fotowettbewerb aufgreifenden Online-Beitrag.

Der Fotograf des ursprünglichen Portrait-Fotos verlangte mit Abmahnung und Klage von der BZ Schadensersatz und immaterielle Entschädigung wegen der Verwendung und „Entstellung“ seiner Fotografie und der unterbliebenen Angabe seines Namens.

Das BGH-Urteil enthält spannende Ausführungen zur urheberrechtlichen Zulässigkeit und zu der Schrankenwirkung von Parodien, zur Interessenabwägung zwischen Urheberrecht und Meinungsfreiheit und zu den aktuellen unionsrechtlichen Regelungen eines neuen weiten europäischen Parodie-Begriffs.
„Die wesentlichen Merkmale der Parodie bestehen danach darin, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen. Der Begriff der Parodie hängt nicht von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Parodie einen eigenen ursprünglichen Charakter hat, der nicht nur darin besteht, gegenüber dem parodierten ursprünglichen Werk wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen. Zu den Voraussetzungen einer Parodie gehört es außerdem nicht, dass sie das ursprüngliche Werk selbst betrifft … Die Annahme einer … Parodie setzt deshalb nicht voraus, dass durch die Benutzung des fremden Werkes eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG entsteht. Sie setzt ferner keine antithematische Behandlung des parodierten Werkes oder des durch das benutzte Werk dargestellten Gegenstands voraus.“
Der Erste Zivilsenat des BGH hat den Streit zurückverwiesen an das die Klage des Fotografen abweisende OLG Hamburg.

Ob die Hamburger Richterinnen und Richter - dann zunächst dort beim Landgericht – sich demnächst wohl auch mit der fetten
Foto-Veröffentlichung aus Karlsruhe auf Seite 4 des öffentlich zugänglich gemachten BGH-Urteils
befassen müssen?


Samstag, 27. August 2016

Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht - Urteil des AG München


Das Alter einer Frau … im Internet

 - Falten und „Persönlichkeitsentfaltung“ einer Filmproduzentin -


Vorfahrt für die Medien- und Meinungsfreiheit beim Amtsgericht München

Prominente kämpfen mit einer kleinen Schar darauf spezialisierter, insbesondere in Berlin und Hamburg ansässiger Rechtsanwälte um ihre tatsächlich oder vermeintlich verletzten Persönlichkeitsrechte - oft bis aufs letzte Komma sowie um jedes Haar. Dies geschieht durchaus nicht selten auch aus meiner Sicht mit berechtigten Belangen und Argumenten.

Gerade die spezialisierten Pressekammern in Hamburg, Berlin und Köln überheben sich allerdings immer wieder bei der Gewichtung der Persönlichkeitsrechte auf der einen Seite und der Informations- und Meinungsfreiheit sowie der Medien- und Pressefreiheit auf der anderen Seite.

Da fällt ein zwischenzeitlich rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts München (Az. 142 C 30130/14) ins Auge.

Der umstrittene Geburtstag der Filmproduzentin


Ein Online-Lexikon veröffentlichte das Geburtsdatum einer recht bekannten und renommierten Filmproduzentin, Drehbuchautorin und Regisseurin aus München, die dagegen auf Unterlassung, auf ein gerichtliches Verbot der Veröffentlichung, klagte. Eine durchaus öffentliche Aufmerksamkeit erlangende Dissertation der Regisseurin hatte dem Betreiber des Online-Lexikons als Quelle für den Tag der Geburt gedient.

Die Klägerin sah ihr Persönlichkeitsrecht verletzt, da sie keine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens sei und die Veröffentlichung ihres Alters mit erheblichen Nachteilen für sie verbunden sei. Die Medienbranche sei eben stark von deutlich jüngeren Menschen geprägt und bei Fernsehsendern gäbe es Intendanten-Vorgaben, vornehmlich junge Regisseurinnen und Regisseure zu engagieren, um entsprechend insbesondere das junge Publikum zu erreichen.

Das Verfahren und das Urteil


Nach erfolgloser anwaltlicher Abmahnung erfolgte die ebenso erfolglose Klage der ewig jungen Drehbuchautorin und geburtstagsresistenten Regisseurin. Das Amtsgericht München hat eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin verneint und die Klage abgewiesen.

Personenbezogene Daten stellen eben auch einen Teil der sozialen Realität einer Person dar. Solange veröffentlichte Tatsachen zutreffen, ein öffentliches Informationsinteresse zur öffentlichen Meinungsbildung besteht und soweit die Folgen der Veröffentlichung für den Betroffenen oder die Betroffene nicht schwerwiegend sind, müssen nach der Einschätzung des Gerichts selbst bei Daten aus der Privatsphäre die Persönlichkeitsinteressen hinter der Meinungsfreiheit zurückstehen. 

Der zuständige Richter berücksichtigte dabei zudem, dass die Geburtstags-Information aus einer öffentlich zugänglichen Quelle stammte. Im Übrigen habe die Öffentlichkeit bezüglich der Klägerin ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, „in welchem Alter sie welchen Film produziert hat“. Die Beeinträchtigung der Filmschaffenden wegen der Veröffentlichung ihre Geburtsjahres sei demgegenüber eher gering. Welche "Rolle" – um in der Terminologie der Filmbranche zu bleiben – der Eintrag des Geburtsdatums bei der Produktionsvergabe spielen könnte, war für das Gericht nicht wirklich nachvollziehbar, zumal schon aus den öffentlich bekannten Produktionsdaten ihrer ersten Filme sich problemlos „eine Alterseinstufung der Klägerin vornehmen“ lässt.


Resumé


Ich denke, gegen etwaige Altersdiskriminierung darf und muss sich jeder Betroffene und auch die Gesellschaft insgesamt aufstellen und wehren. Eine Veröffentlichung des Alters stellt für sich genommen aber noch keine Diskriminierung dar. Gegenteiliges anzunehmen ginge m. E. viel eher in eine diskriminierende Richtung. 

"Gesicht zeigen" und "Alter zeigen" sollte die Devise sein, um gerade im Medien- und Film-Geschäft offensiv übertriebenem Jugendwahn zu begegnen. Gleichzeitig verlangt ein fairer und für alle konstruktiver Umgang miteinander - eigentlich selbstverständlich - eine genauso offene und respektierende Haltung der "Älteren" gegenüber Jüngeren, Branchen-Neulingen und vermeintlich "Verrückten".

Mit dem Urteil des Amtsgerichts München kann und muss die altersbewusste Filmproduzentin leben, mit weniger oder mehr Falten und - auch unbeschadet der Veröffentlichung - hoffentlich hinreichender Gelegenheit zu privater und professioneller Entfaltung.




Freitag, 22. Juli 2016

Marke und Firma: Der Abmahner ist auch mal der Gärtner


Streit ums Markenrecht verlangt oft ein feines Gespür. Sogar unter Gärtnern.

Mit einer aktuellen Entscheidung zum Markenrecht hat das OLG Frankfurt am Main (Beschl. v. 30.05.2016, Az. 6 U 27/16) Abmahnungen der Konkurrenz den rechtlichen Wert des eigenen (Vor-)Namens aufgezeigt.


Die oft überforderten Adressaten markenrechtlicher Abmahnungen haben nämlich häufig bereits selbst beachtliche Rechtspositionen, die der Abmahnung sowie einer etwaigen anschließenden Klage entgegengehalten werden können.

Dies ist neben z. B.  bestehenden Werktiteln, die auch ohne markenamtliche Registrierung rechtliche Bedeutung und Wirkung haben können, ein evtl. existierendes Unternehmenskennzeichen, die Firma bzw. der Name eines Unternehmens - mit älterer Priorität.

Im hier betroffenen Prozessfall sah sich ein Garten- und Landschaftsbauer der Klage eines Konkurrenten ausgesetzt. Der Kläger ging aus einer im Jahre 2014 angemeldeten Marke „A Objektservice – Peter B e.K.“ (eingetragen u. a. in Klasse 37 – „Bauwesen“) gegen den Beklagten vor. Der Beklagte firmierte seit 1995 unter der Bezeichnung "Peter´s Objektservice".
Der Kläger gelangte mit seiner Abmahnung außergerichtlich nicht ans Ziel und wollte dem Beklagten Gärtner nun gerichtlich verbieten lassen,
„im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich des Bauwesens, insbesondere des Garten- und Landschaftsbaus und damit zusammenhängender Tätigkeiten, die Unternehmensbezeichnung "Peter" Objektservice oder eine sonstige Unternehmensbezeichnung, die mehr als einen der Begriffe "Peter", "B", "A" oder "Objektservice" enthält, zu verwenden.“
Ferner verlangte der Abmahner und Kläger Auskunft über Art, Umfang und Dauer der vermeintlichen Verletzungshandlungen unter Angabe von Umsatz und Gewinn sowie die gerichtliche Feststellung angeblicher Schadensersatzansprüche und Ersatz der vorgerichtlichen anwaltlichen Abmahnungskosten.

Der klagende Gartenbauer unterlag zu Recht in beiden Instanzen.

Bereits das Landgericht hatte aufgezeigt, dass der Beklagte seit 1995 Inhaber eines „Unternehmenskennzeichenrechts“ (gem. § 5 MarkenG) hinsichtlich der seitdem verwendeten Bezeichnung "Peter´s Objektservice" ist. Und dieses Zeichen verfügt eben insbesondere auch über die für eine Schutzfähigkeit ausreichende sogenannte „originäre Kennzeichnungskraft“. Dem vom Beklagten benutzten Zeichen kann entgegen der Auffassung der den Kläger vertretenden Anwälte eine originäre Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden, weil auch ein Vorname durchaus geeignet ist, das so bezeichnete Unternehmen von anderen Unternehmen zu unterscheiden.

„Dem steht nicht entgegen, dass ein Vorname vielfach verwendet wird und den Inhaber des Unternehmens daher nicht erkennen lässt; denn dies ist nicht Voraussetzung für die originäre Kennzeichnungskraft eines Unternehmenskennzeichens. Insoweit gilt für Vornamen nichts anderes als für weit verbreitete Familiennamen (vgl. hierzu BGH GRUR 2008, 801 [BGH 30.01.2008 - I ZR 134/05] - Hansen-Bau, juris-Tz. 12).“

„Bei § 5 II S. 1 MarkenG geht es - im Gegensatz zu den genannten Entscheidungen zu § 12 BGB - nicht um die namensmäßige Individualisierung einer natürlichen Person, sondern eines Unternehmens. Die Individualisierung kann zwar auch hier durch Namhaftmachung des Unternehmensträgers erfolgen; Kennzeichnungsobjekt ist aber allein das Unternehmen bzw. der Geschäftsbetrieb, nicht der Unternehmensträger als Person (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 5, Rn. 6). Für ein Unternehmen kann einem Vornamen - ggf. in Verbindung mit einem den Unternehmensgegenstand beschreibenden Zusatz - durchaus eine Namensfunktion zukommen. Der Grund dafür, dass Vornamen grundsätzlich nicht geeignet sind, natürliche Personen zu individualisieren, liegt in ihrer weiten Verbreitung. Dies gilt nicht in gleicher Weise für Unternehmen und Geschäftsbetriebe. Die Benennung von Unternehmen mit dem Vornamen des Inhabers ist gerade nicht weit verbreitet. Die Bezeichnung "Peter´s Objektservice" ist jedenfalls ohne weiteres geeignet, bei der Verwendung im Verkehr als Name des Unternehmens zu wirken.“

Und der Kläger verfügt durch die Markenregistrierung eben nicht über ein gegenüber dem Unternehmenskennzeichen des Beklagten älteres Kennzeichen- bzw. Markenrecht.

Besonders hilfreich kann in vielen Abmahnungsstreitigkeiten der zusätzlich in die Berufungsentscheidung aufgenommene, folgende richterliche Hinweis sein:

„Wollte man - wie der Kläger - der angegriffenen Bezeichnung jegliche Kennzeichnungskraft absprechen, wäre auch die Klagemarke nicht verletzt, weil es dann an der für eine solche Verletzung erforderlichen markenmäßigen Benutzung fehlen würde.“


Abmahnung und Klage scheitern also erst recht dann, wenn die angegriffene Bezeichnung selbst gar keine genügende Kennzeichnungskraft hat, sondern lediglich beschreibenden Charakter aufweist. Dann liegt nämlich überhaupt keine irgendwie angreifbare markenmäßige Benutzung des Abgemahnten vor, was nicht selten übersehen wird.

Es lohnt sich vor der voreiligen Abgabe verlangter strafbewehrter Unterlassungserklärungen und vor übereilter Zahlung anwaltlicher Abmahnungskosten also ein genauerer Blick auf die konkret berührte Sach- und Rechtslage ... auch im Gartenbau.


Samstag, 18. Juni 2016

Abmahnung: Das LG Hamburg im medienrechtlichen Abseits beim Streit um Böhmermann-Satire


Schräger Spielverlauf im Böhmermann-Prozess vor dem LG Hamburg

„Was jetzt kommt, das darf man nicht machen.“ So leitete Jan Böhmermann sein Erdogan-Gedicht mit dem bezeichnenden Titel „Schmähkritik“ in der Satire-Sendung des ZDF am 31.03.2015 ein. Im eiligen Verbotsbeschluss der hanseatischen Pressekammer findet sich zu diesem instruktiven Kommentar-Vorspiel nichts: Keine (schieds)richterliche Auseinandersetzung mit den zuvor vom Spielführer aufgestellten Spielregeln. Das darf man nicht machen.

Mittlerweile liegen die schriftlichen Gründe zur einstweiligen Verpfeifung der ersten Instanz vom Sievekingplatz in Hamburg vor: 

Wohlplatzierte Worthülsen zur unzulässigen „Niveaukontrolle der Kunst“, zur verbotenen Unterscheidung zwischen „guter und schlechter Kunst“ und zur gebotenen Differenzierung zwischen „Aussagegehalt“ und „Einkleidung“.
"Das angegriffene Gedicht ist zweifelsohne Satire." ... So „geht die Kammer von Kunst aus“ und bemerkt, dass „die konkrete Präsentation … zu berücksichtigen“ ist: „Es ist fernliegend, dass der Rezipient annimmt, das Gedicht weise (insgesamt) einen Wahrheitsgehalt auf.“ Das Gericht verkennt angeblich auch nicht, dass „Meinungsfreiheit … gerade aus dem Bedürfnis der Machtkritik erwachsen“ ist.
Der „Schweinefurz“ und die Zeilen mit einem „sexuellen Bezug“ überschritten aber das von Erdogan „hinzunehmende Maß“ – auch wenn dieser als „Oberhaupt des Staates“ für polizeiliches „Schlagen von demonstrierenden Frauen“ sowie das sonstige „gewalttätige Vorgehen gegen andere Demonstranten … sowie gegen Minderheiten wie Kurden“ die „politische Verantwortung“ trägt.

Die Dreier-Abwehrkette des medienrechtlichen Schiedsgerichts verkennt dabei nicht nur, nein, sie unterschlägt den quasi medienpolitischen und medienpädagogischen, künstlerischen und journalistischen Ansatz von Böhmermann, der zusammen mit seinem Sidekick Ralf Kabelka vor und während der Präsentation des „Schmähkritik“-Gedichtes sehr deutlich und unmissverständlich Abgrenzungen zu „Artikel 5 unseres Grundgesetzes“ vornimmt und darauf hinweist:

„Das ist Schmähkritik … Das kann bestraft werden … Das ist vielleicht etwas kompliziert - vielleicht erklären wir es an einem praktischen Beispiel … Also das Gedicht. Das was jetzt kommt, das darf man nicht machen … das würde in Deutschland verboten … Das darf man nicht machen.“

Dazu hätte man eine sportliche und faire medienrechtliche Auseinandersetzung des Gerichts erwarten dürfen: Es geht dabei nicht einmal primär um das Spielergebnis in dieser prozessualen Vorrunde. Es geht vielmehr um fehlenden technischen und konditionellen Einsatz des Gerichts im Spielverlauf. Gerade die spielerische Technik des böhmermannschen Zuspiels von trainerischen Hinweis-Pässen und seine verfassungsrechtlichen Einwürfe hätten der unverzichtbaren schiedsrichterlichen Beachtung und Beurteilung bedurft. Fehlanzeige. Medienrechtliches Foulspiel.


Das verdient eine Rote Karte für diese Instanz, zumindest eine anwaltliche Abmahnung.

Update:  Lesenswert hierzu auch die Beiträge der Kollegen Kahl und Kompa



Donnerstag, 12. Mai 2016

Mai 2016: BGH-Filesharing-Urteile schlagen aus


Über sechs Filesharing-Klagen urteilte am 12.05.2016 der I. Zivilsenat des BGH:

Es ging im Wesentlichen
  • um Kosten- und Schadenshöhen im Rahmen von vier Berufungsurteilen des LG Bochum,
  • um sekundäre Darlegungspflichten im Rahmen einer Berufungsentscheidung des OLG Köln
  • und schließlich um Störerhaftung sowie Belehrungs- und Überwachungspflichten auf der Basis eines zweitinstanzlichen Urteils des LG Hamburg.


In Karlsruhe schlagen im Mai nicht nur die Bäume aus

1. Fall: BGH Az. I ZR 272/14

Revision zum Urteil des LG Bochum vom 27.11.2014 (Az. I 8 S 9/14)
nach Urteil des AG Bochum vom 16.04.2014

Ausgangspunkt bildet - wie so oft - eine Abmahnung der Kanzlei Waldorf Frommer aus München wegen angeblichen Filesharings hinsichtlich eines Filmwerks an zwei Abend- bzw. Nachtterminen vor fast genau sechs Jahren – im Mai 2010. Die Klägerin verlangt von den beiden Internetanschlussinhabern Lizenzschadensersatz i. H. v. 600,00 EUR und Erstattung von Abmahnkosten.
Die Beklagten haben sich darauf berufen, sie hätten zu den fraglichen Zeitpunkten geschlafen bzw. der Beklagte zu 1.) sei bei der Arbeit gewesen. Ob ihr Sohn (der ihnen als gelernter IT-Techniker den Internetzugang und die Programme eingerichtet habe und zwar 2010 nicht mehr bei seinen Eltern wohnte, allerdings auch im Jahr 2010 von Zeit zu Zeit in seinem alten Zimmer übernachtet habe) auch zur fraglichen Zeit bei ihnen übernachtete, wissen die beklagten Eltern nicht mehr genau.

Das AG Bochum hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin ihrer primären Darlegungs- und Beweispflicht nicht nachgekommen sei, die Beklagten demgegenüber ihre sekundäre Darlegungspflicht in ausreichender Weise erfüllt hätten.

Das LG Bochum hat das erstinstanzliche Urteil des AG Bochum zum größeren Teil aufgehoben und die Beklagten als vermeintlich gemeinschaftliche Täter zu Schadensersatz und Kostenerstattung verurteilt.

„Denn die Beklagten haben zu dem Nutzungsverhalten des Sohnes nichts vorgetragen. Sie haben nicht dargelegt, dass der Sohn den Internetanschluss genutzt hat, denn dies lässt sich nicht ohne Weiteres aus der Information des Übernachtens oder der Sicherung des W-LAN-Anschlusses schließen. Des Weiteren fehlen Angaben dazu, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Gerät der Sohn den Anschluss genutzt haben soll. Aus dem unsubstantiierten Vortrag der Beklagten kann weder gefolgert werden, dass ein Dritter Zugang zu dem Anschluss hatte, noch, dass ein Dritter die streitgegenständliche Datei über den Anschluss angeboten haben könnte.“


„Da es sich beim Filesharing um ein Massenphänomen handelt, sodass eine Überkompensation des Schadensersatzinteresses des jeweiligen Rechteinhabers zu vermeiden ist und die begehrte Schadensersatzhöhe in einem angemessenen Verhältnis zu der Verletzungshandlung stehen muss, erachtet die Kammer einen Betrag in Höhe von 600,00 € als geboten.“


„Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 130,50 € aus § 97 a UrhG zu. Ein darüber hinausgehender Betrag ist nicht zuzusprechen, da der klägerseits zugrunde gelegte Gegenstandswert deutlich zu hoch bemessen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm wird. der Streitwert eines Unterlassungsbegehrens mit der doppelten Lizenzgebühr beziffert, sodass vorliegend der Berechnung der Abmahnkosten ein Gegenstandswert in Höhe von 1.200,00 € zugrundzulegen ist.“

Besonders spannend war dabei, ob der BGH auch in diesem Fall von einer sogenannten „tatsächlichen Vermutung“ zu Lasten von zwei Anschlussinhabern ausgeht, was von vielen als recht lebensfremd bewertet wird. Ferner war offen, ob dem BGH der ziemlich dünne Vortrag der beklagten Eltern zur etwaigen Übernachtung seitens des erwachsenen Sohnes zur sekundären Darlegung möglicher Täteralternativen ausreicht – ohne näheren Vortrag zu Recherchen und zum konkreten Nutzungsverhalten bzw. Nutzungsequipment des Sohnes. Hierzu lässt sich der Pressemitteilung des BGH leider noch nichts Näheres entnehmen. Die noch ausstehende Veröffentlichung der schriftlichen Entscheidungsgründe bleibt also abzuwarten.

2. Fall: BGH Az. I ZR 1/15
Revision zum Urteil des LG Bochum vom 27.11.2014 (Az. I-8 S 7/14)

Wieder geht's um Abmahnung und Klage seitens der Kanzlei Waldorf Frommer und wieder ist Klägerin eine vermeintliche Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte am streitgegenständlichen Film. Vorgeworfen wird den beiden Beklagten diesbezügliches illegales Filesharing am Vormittag des 22.07.2010. Wieder wird Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie i. H. v. 600,00 EUR sowie die Erstattung von Abmahnungskosten zu einem angeblichen Streitwert von 10.000,00 EUR (also 506,00 EUR) verlangt.
Die Beklagten haben sich darauf berufen, dass der häusliche Internetanschluss von der gesamten Familie genutzt wurde; darunter auch eine damals 9 Jahre alte (oder junge) Tochter, die über einen eigenen Zugang zum Internet verfügt habe und eingehend „zum ordnungsgemäßen Verhalten im Internet“ belehrt worden sei.

Das LG Bochum hat die amtsgerichtliche Klageabweisung aufgehoben und die beklagten Eltern verurteilt, wenn auch bei erheblicher Reduzierung der zu erstattenden Abmahnungskosten.

„Soweit die Beklagten auf eine mögliche Verantwortung ihrer Tochter verweisen, ist ihr Vorbringen nicht hinreichend konkret, da ihm nicht ansatzweise entnommen werden kann, unter welchen Umständen die Tochter die fragliche Urheberrechtsverletzung begangen haben soll. So fehlen jegliche Angaben der Beklagten dazu, ob die Tochter über einen eigenen Computer oder Laptop verfügt oder den Computer der Eltern benutzt haben soll. Auch ist nicht dargestellt, ob die seinerzeit erst 9 Jahre alte Tochter unbeaufsichtigt Zugang zum Internet gehabt haben soll.“

Wie ist der BGH mit der sekundären Darlegungslast in diesem Fall umgegangen? Wie mit dem recht pauschalen Verweis auf eine neunjährige Tochter – ohne substantiellerere Angaben z. B. zu dem konkreten technischen Zugang des jungen Mädchens zum familiären Internetanschluss? Durften die Beklagten ihrer immerhin erst neun Jahre alten Tochter überhaupt einen eigenständigen Zugang zum Internet erlauben? Einige warteten auch gespannt auf die BGH-Bewertung zur Höhe der Abmahnungskosten.

3. Fall: BGH Az. I ZR 43/15
Revision zum Urteil des LG Bochum vom 05.02.2015 (Az. 8 S 17/14)

In diesem Fall ist Klägerin die Fa. Koch Media, die den Beklagten abgemahnt und verklagt hatte wegen Filesharing-Vorwürfen hinsichtlich eines im Jahre 2012 in Deutschland erschienenen Computerspiels. Der Beklagte soll im Mai 2012 dieses Computerspiel illegal in eine Online-Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht haben. Es werden Abmahnungskosten zu einem Streitwert von 30.000,00 EUR und damit i. H. v. über 1.000,00 EUR verlangt.
Das LG Bochum hat der Klägerin lediglich Abmahnungskosten in Höhe von 192,90 EUR aus § 97 a UrhG zugesprochen bei Zugrundelegung eines Gegenstandswertes für den Unterlassungsanspruch i. H. v. 2.000,00 EUR.


4. Fall: BGH Az. I ZR 44/15
Revision zum Urteil des LG Bochum vom 05.02.2015 (Az. I-8 S 11/14)

Hier geht es mal wieder um einen Film, den der Beklagte an einem Nachmittag im Mai 2011 im Wege illegalen Filesharings öffentlich zugänglich gemacht haben soll. Die Klägerin verlangt vorgerichtliche Abmahnungskosten i. H. v. 1.005,40 EUR und Schadensersatz im Wege der Lizinzanalogie.
Der Beklagte hat die Klageforderung i. H. v. 101,40 EUR anerkannt.
Das LG Bochum erachtete eine Kostenforderung i. H. v. 130,50 EUR zum Gegenstandswert i. H. v. 1.200,00 EUR und einen Lizenzschaden von 600,00 EUR für gerechtfertigt.

Auf die Revision der Klägerinnen hat in den vier oben genannten Fällen der BGH die Urteile des LG Bochum aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Landgericht ist nach Auffassung des BGH zu Unrecht davon ausgegangen, der Gegenstandswert der anwaltlichen Abmahnung belaufe sich stets auf das Doppelte des anzunehmenden Lizenzschadens. Vielmehr sei der Gegenstandswert der Abmahnung in Fällen der vorliegenden Art "nach dem Interesse der Klägerinnen an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen." Eine schematische Bemessung des Gegenstandswerts werde nicht dem Umstand gerecht, dass die zukünftige Bereitstellung eines Werks in einer Online-Tauschbörse nicht nur die Lizenzierung des Werks gefährdet, sondern seine kommerzielle Auswertung insgesamt zu beeinträchtigen drohe.

Für die Bemessung des Gegenstandswerts komme es u.a. auf den wirtschaftlichen Wert des verletzten Rechts, die Aktualität und Popularität des Werks, die Intensität und Dauer der Rechtsverletzung sowie die subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers an. Dazu muss das LG Bochum nun weitere Feststellungen treffen.

Dass der BGH sich im Rahmen seiner Zurückverweisung primär zur Erstattung von Abmahnkosten geäußert hat, legt es nahe, dass der Senat in den oben skizzierten vier Bochumer Fällen eine ausreichende sekundäre Verteidigungsdarlegung der Beklagten wohl eher verneint hat.

5. Fall: BGH Az. I ZR 48/15
Revision zum Urteil des OLG Köln vom 06.02.2015 (Az. 6 U 209/13)
nach erstinstanzlicher Klageabweisung durch das Urteil des LG Köln vom 20.11.2013 (Az. 28 O 467/12)

Klägerinnen im fünften Fall sind die seit über 10 Jahren von der Kanzlei Rasch aus Hamburg vertretenen Tonträgerhersteller mit vermeintlichen Verwertungsrechten an über 800 Audioaufnahmen, die nach angeblich sachgerechten Recherchen der Firma ProMedia GmbH am 18.11.2007 um 19:51:51 Uhr unter einer bestimmten, angeblich dem Beklagten zuzuordnenden IP-Adresse mit der mittlerweile gerichtsbekannten P2P-Software „Bear-Share“ zum kostenlosen Download online angeboten worden sein sollen.
Der Internetanschluss des Beklagten erfolgte im Herbst 2007 über einen per WPA2-Verschlüsselung gesicherten WLAN-Router mit einem von der gesamten Familie, also auch von der Ehefrau und den damals 17 und 15 Jahre alten Kindern verwendeten Rechner. Die klägerische Abmahnung datiert vom 08.05.2008 und verlangte zunächst vergleichsweise eine pauschale Zahlung i. H. v. 6.000,00 EUR. Erst am 23.12.2011 beantragten die Klägerinnen einen Mahnbescheid über Abmahnungskosten i. H. v. 2.380,80 EUR und Schadensersatz i. H. v. 3.000,00 EUR.
Im Rahmen der landgerichtlichen Beweisaufnahme wurde die Ehefrau als Zeugin vernommen; die beiden Kinder des Beklagten beriefen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. 
Das LG Köln wies die Klage ab: Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die Rechtsverletzungen nicht von Beklagten oder seiner Ehefrau begangen wurden, sondern von einem der Kinder oder von beiden Kindern gemeinsam. Eine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht liege nicht vor und auch eine Störerhaftung des Beklagten wurde verneint.
Das OLG Köln hob diese klageabweisende Entscheidung auf:

„Auf der Grundlage der Aussagen der Zeugin (der Ehefrau) hatten die Kinder keinen so selbständigen Zugang zum Internet, dass sie ernsthaft als Alleintäter des streitgegenständlichen Downloadangebotes mit 809 Titeln in Betracht kommen. Außerdem hat der Beklagte keine nachvollziehbare Erklärung dafür abgegeben, wie es den Kindern überhaupt hätte gelingen können, von ihm nicht entdeckt zu werden. Zu seiner eigenen konkreten Internetnutzung hat der Beklagte nichts vorgetragen. Er hat auch nicht vorgetragen, dass 2007/2008 auf dem mit dem Internet verbundenen Rechner keine Filesharing-Software installiert gewesen war und/oder dass die streitgegenständlichen geschützten Dateien nicht auf dem Rechner vorhanden gewesen waren. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.01.2015 hat er vielmehr angegeben, nach der Abmahnung durch die Klägerinnen den Rechner nicht untersucht zu haben, weil für ihn von Anfang an klar gewesen sei, dass niemand aus seiner Familie hier als Täter in Betracht komme. Dies steht indes nicht in Einklang mit seinem Antwortschreiben vom 16.05.2008 auf die Abmahnung vom 08.05.2008, in dem mitgeteilt wurde, dass der Beklagte sämtliche auf seinen Anschluss bestehenden Internetverbindungen getrennt habe, um die Sache zu prüfen. Warum bei nur einem an das Internet angeschlossenen Rechner mehrere Verbindungen getrennt werden mussten, bleibt ebenso unklar wie die Frage, warum der Beklagte die angekündigte Prüfung nicht vorgenommen hat. War dem Beklagten aber bekannt, dass sein Rechner und sein Anschluss für illegales Filesharing genutzt wurden, und ist er gegen diese Nutzung nicht eingeschritten, so haftet er für sie als Mittäter.“


Zu diesen Ausführungen wurden nun erhellende Bewertungen des BGH erwartet. Der BGH hat die Revision des Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Das OLG Köln habe zu Recht angenommen, dass der Beklagte für die öffentliche Zugänglichmachung der Musikaufnahmen über seinen Internetanschluss haftet, da nach Durchführung der Beweisaufnahme die Ehefrau des Beklagten als Täterin ausscheide und der Beklagte nicht hinreichend konkret dazu vorgetragen habe, "dass seine Kinder ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen." Da darf man sich die Rechtsverteidigung wohl auch weiterhin nicht zu einfach machen bzw. nicht zu einfach vorstellen. Man sollte die sekundäre Darlegungslast also auch zukünftig nicht auf die leichte Schulter nehmen.

6. Fall: BGH (Az. I ZR 86/15)
Revision zum Urteil des LG Hamburg vom 20.03.2015 (Az. 310 S 23/14)
nach erstinstanzlichem Urteil des AG Hamburg vom 08.07.2014 (Az. 25b C 887/13)

Im sechsten Filesharing-Fall geht es u. a. um fragliche, vom LG Hamburg bejahte Belehrungspflichten hinsichtlich den häuslichen Internetanschluss gelegentlich nutzender verwandter oder bekannter volljähriger Besucher – in diesem Fall aus Australien.
Es ging um Filesharing zu Lasten des Films "Silver Linings Playbook". Das LG Hamburg hatte insoweit im vergangenen Jahr eine gemeinschaftliche Störerhaftung der beklagten Internetanschlussinhaber angenommen und dazu ausgeführt:

„Die Nichte der Beklagten ist gerade nicht deren Tochter, so dass das Verhältnis zwischen der Beklagten und ihrer Nichte nicht unter den Familienbegriff des Art. 6 GG fällt. Die Nichte lebt in Australien und war nur für wenige Tage bei der Beklagten zu Besuch. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob zwischen ihr und der Beklagten ein Vertrauensverhältnis wie zwischen Eltern und ihren Kindern besteht. Denn ein solches Kriterium ließe sich mit den Mitteln des Zivilprozesses kaum aufklären und würde zu unerträglicher Rechtsunsicherheit führen.“

Der BGH hat auf die Revision der Beklagten hin die Klage zu Recht abgewiesen und eine Störerhaftung sowie eine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht gegenüber volljährigen Mitgliedern einer Wohngemeinschaft sowie volljährigen Besuchern oder Gästen als unzumutbar abgelehnt. Damit haben die Karlsruher Richter im Mai 2016 zahlreichen Filesharing-Abmahnungen den Wind aus den Segeln genommen.

Dem zu erwartenden höchstrichterlichen Klartext in den noch ausstehenden schriftlichen Urteilsgründen werden voraussichtlich schlagende Argumente gegen etliche Filesharing-Abmahnungen und -Klagen zu entnehmen sein.